Die alten Bilder

Jessi, die große Schwester von Kalle, malte sehr gerne. Richtige große Bilder malte sie mit ihrem Aquarellmalkasten. Der hatte viele Farben. Kalle hatte nur seine Buntstifte und seinen Tuschkasten. Und so schöne Bilder wie Jessi malte er auch nicht. Er war ja auch viel kleiner. Jessi hatte auch eine schöne Staffelei. Die hatte ihr Vater selbst gebaut. Nachmittags stand sie oft davor und malte. Manchmal stand Kalle daneben und schaute zu. Zweimal hatte Jessi sogar Kalle gemalt.

Da Jessi sehr viele Bilder malte, stapelten sich auf dem Dachboden die Aquarelle und Zeichnungen. Heute hatte der Vater beschlossen den Boden aufzuräumen.

"Jessi, komm mal her. Was soll denn mit all den alten Bildern hier passieren. Brauchst du die noch?" fragte er.

Jessi kam und schaute sich die Bilder an. "Nö, eigentlich. Aber sieh mal. Ist das nicht schön."

"Ach Jessi", seufzte der Vater. "Such dir die schönsten Bilder aus und dann kommt der Rest weg."

"Ja, Papa", stimmte Jessi zu. Nach einer Weile kam der Vater zurück. "Wie weit bist du, Jessi?"

"Fertig", meinte Jessi und zeigte auf die Bilder.

"Jessi, du hast ja höchstens die Hälfte der Bilder aussortiert. Das sind noch viel zu viele."

"Aber Papa", sagte Jessi und umarmte ihren Vater. Dann blickte sie ihn mit großen Augen an. "Ich finde sie aber alle so gut."

"Jessi! Das klappt nicht. Jessi, hör auf damit. Die Bilder müssen weg." Der Vater blieb streng.

"Jessi", sagte da die Mutter, die hinzugekommen war. "Was willst du denn mit den Bildern anfangen. Die liegen doch nur rum. Komm paß mal auf. Du suchst dir 20 Bilder aus und dann werden wir ein schöne Mappe für sie anlegen. In Ordnung."

"Na gut", stimmte Jessi zu. Schweren Herzens sortierte sie 20 Bilder aus. "Und wohin mit den alten Bildern?" fragte sie dann.

"In den Müll", schlug Kalle vor.

"Aber Kalle", sagte der Vater. "Papier gehört nicht in den Müll. Papier gehört in die Altpapiersammlung."

Der Vater bündelte das Papier und schnürrte es zusammen. Mit den alten Zeitungen und Zeitschriften wurde es an die Straße gestellt. Morgen war nämlich Altpapiersammlung.

Am nächsten Morgen kam Jessi gerade aus dem Bad als Kalle sie rief: "Jessi, komm mal schnell."

"Was ist denn?"

"Sieh mal", sagte Kalle und zeigte aus dem Fenster.

Jessi schaute heraus. Unter der Laterne lagen die Bilder von Jessi. Säuberlich aufgestellt. Zwei Männer von der Müllabfuhr standen herum. Sie betrachteten eingehend Jessis Bilder. Wie richtige Kunstkritiker betrachteten sie die Bilder und berieten sich. Sie traten zurück, kniffen die Augen zusammen und zeigten auf einzelne Bildteile. Nach und nach sortierten sie ein paar der Bilder aus. Schließlich warfen sie den Rest in den Wagen, die aussortierten Bilder aber legten sie vorn ins Führerhaus. Dann luden sie das andere Papier auf.

"Toll, Jessi", sagte Kalle. "Da hast du deine erste Kunstausstellung. Die ist richtig gut angekommen."

"Ich bin ganz glücklich", meinte Jessi. "Mir hat es um die alten Bilder so leid getan. Aber nun weiß ich, daß sie irgendwo in einer Wohnung hängen werden."

"Kinder, wo steckt ihr. Der Kakao wird kalt", rief da von unten die Mutter. "Beeilt euch. Ihr müßt bald in die Schule." Die Kinder lachten und gingen nach unten.