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Die verschwundenen Plätzchen

Ole Vanhoefer

Startseite · Inhaltsverzeichnis · Rubrik: Geschichten für Kinder · Autor: Ole Vanhoefer

Jedes Jahr im November zog ein verführerischer Duft durch das Haus von Oma und Opa Schnack. Oma backte nämlich Plätzchen. Natürlich für Weihnachten und die Adventszeit. Und es waren sehr gute Plätzchen.

"Die besten Plätzchen auf der ganze Welt", pflegte ihr Enkel Kalle immer zu behaupten und dazu: "Oma ist die Beste." Aber meistens verstand man nicht so viel, denn er sagte das nur, wenn es Plätzchen gab. Und mit Plätzchen im Mund kann man schlecht reden.

Und so wäre der November ein so schöner Monat gewesen, wenn da nicht Oma gewesen wäre. "Die Plätzchen gibt es erst zum ersten Advent. Und nicht einen Tag vorher." Und dann stellte sie die vielen Dosen mit den herrlichen Keksen in die mittlere Schublade der Kommode und schloß ab.

Noch nicht einmal probieren durfte man. Selbst das Bruchwerk kam säuberlich in eine Dose. Auch Opa Schnack bekam nichts von den Plätzchen ab. Und so sogen alle nur den wundervollen Geruch der Plätzchen ein und warteten ungeduldig auf den ersten Advent.

Kurz vor dem ersten Advent übernachteten Kalle und seine ältere Schwester Jessi bei ihren Großeltern. Ihre Eltern waren ausgegangen. Am Nachmittag war Oma Schnack zu ihrer Nachbarin zum Kaffee gegangen. "Zu einem richtigen Klönschnack", wie sie zu sagen pflegte. Opa war draußen im Garten und legte Tannenzweige auf die Rosen, um sie gegen den Frost zu schützen. Jessi und Kalle spielten Karten.

"Mau Mau", sagte Jessi und legte ihre letzte Karte ab.

"Du hast schon wieder gewonnen", brummelte Kalle.

"Noch ein Spiel?"

"Nein", sage Kalle. "Ich habe Hunger. Richtigen Hunger auf Plätzchen."

"Du meinst Appetit auf Plätzchen", sagte Jessi. "Aber Lust ein paar Plätzchen zu essen, hätte ich auch."

"Laß uns mal zur Kommode gehen, vielleicht ist sie offen."

Aber Oma hatte die Schublade sorgfältig verschlossen.

"Vielleicht steht die Dose mit dem Bruchwerk in der Küche", schlug Kalle vor. Aber auch dort war keine Spur von den herbeigesehnten Leckereien zu entdecken.

"So ein Mist", schimpfte Jessi. Sehnsüchtig starrten die beiden Kinder auf die Kommode.

"Wollt ihr etwas Plätzchen naschen?" fragte da Opa Schnack. Erschrocken drehten Jessi und Kalle sich um. Mit den Händen in den Hüften sahen sie ihren Großvater vor sich stehen.

"Öhh, nö, Ähhh! Nein, nein", stammelten Jessi und Kalle durcheinander.

"Ihr wollt keine Plätzchen?" fragte der Großvater erstaunt.

"Naja, wir hätten schon gerne ein paar Plätzchen", meinte Kalle.

"Ich nämlich auch", sagte der Großvater.

"Du auch?" fragte Jessi. "Aber ... Aber hast du denn einen Schlüssel zur Kommode?"

"Nein."

"Dann hast du sicherlich einen Dietrich wie die Leute im Fernsehen", meinte Kalle.

"Nein."

"Aber Opa. Wie kommst du dann an die Plätzchen?" fragte Jessi verwirrt.

"Och, ganz einfach", sagte der Großvater. Er nahm die Schublade über der Schublade mit den Plätzchen heraus. Wenn man nun hineinsah, konnte man die Dosen erkennen. Opa Schnack griff hinein und holte eine Dose hervor. Er öffnete die Dose und bot den Kindern Plätzchen an. "So einfach ist das."

"Toll", sagte Jessi und griff zu. Auch Kalle ließ sich nicht zweimal bitten.

Mit vollem Mund ließ er dann seinen Standartsatz hören: "Die besten Plätzchen auf der Welt. Oma ist einfach die Beste."

"Und Opa der Klügste", ergänzte Jessi. Dann prusteten alle los. Denn Lachen mit vollem Mund hat eine erstaunliche Wirkung.

  © 2004 by IT-Dozent Ole Vanhoefer · Zum Seitenanfang